Der Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) im Krankenhaus hat in vielerlei Hinsicht Potenzial, Arbeitsprozesse zu verbessern, Patienten individueller zu betreuen, Erkrankungen frühzeitig festzustellen und Ärzte bei der Arbeit zu entlasten. Doch wie weit sind deutsche Krankenhäuser bei der Umsetzung entsprechender Projekte und Anwendungen und welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit KI sinnvoll genutzt werden kann?
Grundsätzlich haben Kliniken in Sachen KI und Big Data noch Nachholbedarf. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Häuser in Bezug auf die Digitalisierung noch lange nicht da sind, wo sie eigentlich sein sollten. Denn eine Grundvoraussetzung für die optimale Datennutzung ist das Vorhandensein sowie die Verfügbarkeit von digitalisierten Datensätzen, die von den klinischen Systemen verarbeitet werden können. Zum Stand der Digitalisierung deutscher Krankenhäuser gibt der in acht Stufen aufgeteilte EMRAM-Standard Auskunft. Dieser wurde im Rahmen einer Untersuchung von der AOK auf 167 Krankenhäuser angewandt. Das Ergebnis war ernüchternd: Zwei Drittel der Häuser liegen bei Stufe 0 bis 2 - eine Digitalisierung ist also so gut wie nicht vorhanden. Im Gegensatz dazu sind andere Länder bereits viel weiter: so haben beispielsweise in Dänemark die meisten Kliniken bereits Stufe 5 erreicht.
KI-Anwendungen brauchen mehr Digitalisierung in den Krankenhäusern
Um an dieser Stelle weiterzukommen, sind Investitionen notwendig, die jedoch angesichts des aktuellen Investitionsstaus nur schwer umzusetzen sind. In Deutschland werden ca. 1,5 Prozent des Haushalts in den Krankenhäusern in die IT investiert. Zum Vergleich: In den Niederlanden, Schweiz oder Österreich sind es 4 Prozent, in den USA 5 bis 6 Prozent. Dänemark investiert sogar staatlich verordnete 20 Prozent in seine Krankenhaus-IT.
Das kürzlich beschlossene Krankenhauszukunftsgesetz wird, so erhoffen sich die Verantwortlichen, Abhilfe schaffen. Das Gesetz sieht vor, dass Kliniken ab dem 1. Januar 2021 vom Bund bereitgestellte Fördergelder abrufen können, wobei sich die Länder und/oder die Krankenhausträger mit einem Eigenanteil von 30 Prozent der jeweiligen Investitionskosten beteiligen müssen. Aus Bundesmitteln werden 70% der Fördersumme bereitgestellt. Insgesamt stehen dem Krankenhauszukunftsfond demnach 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung.
Neben notwendigen Investitionen ist außerdem die Erstellung von nutzbaren Datensätzen wichtig, um Behandlungserfolge zu verfolgen. Das schließt Datensätze ein, die nicht nur im stationären Bereich, sondern auch die ambulanten Daten unter Einhaltung der Patientensouveränität und des Datenschutzes zusammenführen soll. Ohne die Überwindung von Sektorengrenzen beim Datenaustausch wird das nur schwer möglich sein. Darum steht dieses Thema für die Verantwortlichen aus Politik und den anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen als nächster Punkt auf der Agenda.
KI und Big Data im Krankenhaus
Für den breiten Einsatz von KI braucht es also noch wichtige Voraussetzungen, aber es gibt schon jetzt einzelne Projekte, die in Krankenhäusern angesiedelt sind und bei denen erste Erfahrungen mit dem Einsatz von KI und Big Data gesammelt werden. Prof. Dr. Holthusen, Medizinischer Direktor bei der Knappschaft Kliniken GmbH, berichtete auf dem Gesundheitskongress des Westens von verschiedenen Anwendungsszenarien.
Das erste vorgestellte Projekt beschäftigt sich mit der Entdeckung von unerkannten Hepatitis-C-Infektionen aus Krankenkassen-Routinedaten. In dem Projekt wurden sozio-medizinische Daten von 2.544 Patienten mit gesicherter HCV-Infektion aufgenommen. Anschließend wurden die Informationen in ein künstliches neuronales KI-Netzwerk überführt. Dieses gab einen Algorithmus heraus, der wiederum auf die Krankenkassenroutinedaten von 1,8 Millionen Versicherten aus den Jahren 2009 bis 2014 angewandt wurde. Das Ergebnis: Der Algorithmus identifizierte problemlos die zum Anlernen zuvor bereits bekannten Erkrankten. Darüber hinaus entdeckte er sogar zusätzlich mehr als 2.000 Personen, bei denen aufgrund der Datenlage von einer Erkrankung auszugehen ist.
Ein anderes Projekt läuft unter dem Namen "Mona". Der Name wird für ein fest am Intensivbett installiertes System verwendet, das den oftmals sehr komplizierten und komplexen Patientenverlauf so analysiert und zusammenfasst, dass am Ende nur noch die wesentlichen Informationen erhalten bleiben. Dazu werden beispielsweise die relevanten Labordaten KI-gestützt aus einer großen Anzahl von Labordaten herausgefiltert. Darüber hinaus werden die heute mehr als 800 medizinischen Leitlinien mithilfe von Checklisten-Elementen auf ihre Einhaltung überprüft. Das System kann vergütungsrelevante Parameter und Patienteninformationen aktiv überwachen und proaktiv abfragen. Und schließlich hilft die KI-Lösung, Fachwissen sprachgesteuert aus Datenbanken zu extrahieren und darüber hinaus per Sprachbefehl in der Patientenakte zu dokumentieren. Besonders von letzterer Funktion erhofft sich Prof. Dr. Holger Holthusen eine deutliche Effizienzsteigerung bei der Arbeit auf der Intensivstation.
Nicht nur die Verbesserung des Workflows erleichtert Ärzten die Arbeit, auch unterstützende Decision Support Systeme tun das. Mit solchen Lösungen beschäftigt sich das Projekt Radiomics, bei dem quantitative Bildmerkmale in großen medizinischen Bilddatenbanken analysiert werden. Die Technik ermöglicht außerdem eine Workload-Reduktion durch Smart Elimination und hilft beim Auffinden seltener Erkrankungen, z. B. durch das Erkennen gesunder Thorax-Röntgenaufnahmen und deren Kennzeichnung.
Auch bei NEXUS steht das Thema KI ganz weit oben auf der Tagesordnung
Ein Beispiel dafür sind die NEXUS Diagnostik-Lösungen. Diese entwickeln sich immer mehr von der klassischen Befund-Dokumentation hin zu intelligenten Systemen für die aktive Entscheidungsunterstützung. Unter dem Namen „NEXUS / ADVANCED REPORTING“ wurde dafür eine neuartige Befund-Engine entwickelt, mit der diagnostische Messwerte von Medizingeräten und die Ergebnisse Intelligenter Erkennungsalgorithmen (KI) zukünftig weitgehend automatisiert in die Befundberichte übernommen werden können.
Höchste Befundqualität und entscheidende Zeitersparnis hat NEXUS hier für die medizinischen Anwender im Fokus – und die zusätzliche Bereitstellung helfender Informationen für Zuweiser und Patienten ebenso. NEXUS setzt mit dieser Neuentwicklung konsequent auf Strukturierte Terminologien, denen auf Basis sogenannter Semantischer Netze definiert Regeln und Algorithmen für die automatisierte Erstellung der Befundberichte sehr transparent und nachvollziehbar zugeordnet werden können.
„NEXUS / ADVANCED REPORTING“ kann damit zum wichtigen Erfolgsfaktor für den zukünftigen Einsatz von KI in klinischer Routine werden.